VELJANOV: Wenn der Romantiker den Zyniker besiegt

Seit mehr als zehn Jahren ist seine Stimme das markante Aushängeschild der erfolgreichen deutschen Band Deine Lakaien. Da seine musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten damit aber noch lange nicht erschöpft waren, startete Alexander Veljanov vor drei Jahren auch als Solokünstler mit „Secrets Of The Silver Tongue“.

Der Name Veljanov steht seitdem auch für anspruchsvolle Popmusik, die der Sänger auf seinem neuen Album „The Sweet Life“ mit bittersüßen Wahrheiten und großartigen Songs untermauert. Dass der Begriff Pop dabei vorurteilsfrei für diese Art von Musik gebraucht werden kann, erklärte der Romantiker Veljanov im Interview mit Nord bei Nordost.

Nord bei Nordost: „Wenn man über die Person Alexander Veljanov sprechen will, kommt man an der Band Deine Lakaien nicht vorbei. Stört dich das?“

Veljanov: „Nö. Warum auch sollte ich mit mir selbst ein Problem haben.“

Nord bei Nordost: „Weil es ja in diesem Fall um dein Soloprojekt geht.“

Veljanov: „Die Fragen nach Deine Lakaien halten sich ja in Grenzen und daher ist das akzeptabel.“

Nord bei Nordost: „Im Text zur neuen CD steht: „Wenn der Romantiker den Zyniker besiegt…“. Welcher Charakterzug überwiegt in dir? Kannst du das genauer erklären?“

Veljanov: „Ich versuch’s. Wenn man längere Zeit im Musikgeschäft tätig ist und die Mechanismen versteht, dann ist die Gefahr schon da, dass man zum Zyniker wird. Aber wenn ich ein neues Projekt in Angriff nehme, merke ich, dass mir die Leidenschaft, wegen der ich mir diesen Beruf ausgesucht habe, geblieben ist. Und dann kommt der Romantiker doch wieder zum Vorschein und der Zyniker verschwindet.“

Nord bei Nordost: „Und das schlägt sich in den Songs nieder…“

Veljanov: „Ja ich denke schon, dass man dem Album anhört, dass es nicht voller Zynismus steckt. Vielleicht ein bisschen Ironie, aber in erster Linie ist es sehr gefühlvoll und positiv.“

Nord bei Nordost: „Es gibt drei Coverversionen auf dem Album, von denen eine, „Black Girl“, bestimmt vielen Hörern bekannt vorkommen wird. Woher stammt das Original?“

Veljanov: „Die meisten werden den Song von Nirvana kennen. Bei denen hieß es „My Girl“. Das Original stammt aus den Zwanzigern und ist ein schwarzes Sklavenlied.“

Nord bei Nordost: „Ist das eine musikalische Epoche mit der du dich beschäftigst?“

Veljanov: „Auch, ja. Die Originale der anderen Coverversionen stammen auch aus der Zeit der dreißiger bis fünfziger Jahre. Ich finde das sehr interessant, so etwas in die heutige Zeit zu transportieren. Und einem jungen Publikum zu zeigen, dass Inhalte die heute interessieren schon lange vorher in der Musik stattfanden.“

Nord bei Nordost: „“Das Lied vom einsamen Mädchen“ ist eine andere Coverversion von der du gesagt hast, dass du etwas Angst davor hattest, dieses Lied zu singen. Weil du vorher erst einmal Deutsch gesungen hast. Wieso diese Angst? Das Lied ist doch wunderbar!“

Veljanov: „Danke. Aber bei diesem Lied hatte ich keine Angst vor der Sprache sondern deshalb, weil es so schwer zu interpretieren ist. Es ist sehr traurig, sehr gefühlvoll und vor allem ist es von solch großen Sängerinnen wie Marlene Dietrich, Hildegard Kneef und Nico gesungen worden. Da ist es schon heikel, so was anzugehen. Und ich wusste wirklich nicht, ob ich es veröffentlichen sollte. Ich hatte einfach Angst mich lächerlich zu machen. Doch mein Produzent Dave Young und meine Freunde waren begeistert, so dass ich es gewagt habe.“

Nord bei Nordost: „In wie weit bist du als Sänger von deinem Produzenten abhängig?“

Veljanov: „Wir haben von der ersten Note und vom ersten Ton an alles zusammen gemacht. Wir haben die Musiker ausgesucht, die Arrangements beschlossen usw. Das ist, glaube ich, das klassische Gefüge zwischen Produzent und Solokünstler. Auch Robbie Williams arbeitet so. Wichtig ist, dass der Produzent das Feingefühl für die Qualitäten des Sängers hat. Und dazu ist natürlich Vertrauen nötig. Aber Dave und ich kennen uns schon lange, da ist unsere Zusammenarbeit aus unserer Freundschaft heraus entstanden.“

Nord bei Nordost: „Fliegen da auch mal die Fetzen, wenn man sich nicht einig wird?“

Veljanov: „Es gab schon viele Diskussionen uns Songs, die nicht so einfach umzusetzen waren. „Fly Away“, die Single, ist da so ein Kandidat, da konnte ich Dave lange Zeit nicht von meiner Vorstellung überzeugen. Aber ohne Kontroversen keine Ergebnisse.“

Nord bei Nordost: „Deine Definition von Pop ist, ich zitiere: „Ein entspanntes und positives Album ohne in Oberflächlichkeit oder Beliebigkeit abzudriften.“ Ist das nicht ein Widerspruch zur heutigen Popkultur?“

Veljanov: „Das ist eben meine Definition. Pop ist nicht die Containertrottelzone. Pop heißt populär, das bedeutet, dass es vielen Menschen gefallen könnte. Wenn die Menschheit nicht völlig verblödet ist. Also muss Pop nicht dumm sein.“

Nord bei Nordost: „Wenn man sich aber die Charts anschaut. Bereitet dir das nicht arges Kopfzerbrechen?“

Veljanov: „Im Gegenteil. Es ist Ansporn. Und es ist wichtig, dass sich alternative Bands ihre Plätze zwischen Containermüll und seichtester Soße erkämpfen. Jede Platzierung von Pitchfork, Paradise Lost, Wolfsheim, Prodigy oder Portishead – was auch immer, ist gerechtfertigt. Da soll’n die verdammten Medien endlich aufhören ihr Diktat durchzusetzen. Britney Spears an allen Ecken und unsereins muss um jeden Sendeplatz kämpfen. Und, verdammt noch mal, hunderttausend Käufer sind keine Idioten!“

Nord bei Nordost: „Mal angenommen die Single „Fly Away“ stürmt die Charts und du kriegst ‘ne Einladung zu Top Of The Pops. Gehst du hin?“

Veljanov: „Das überleg ich mir dann.“

Nord bei Nordost: „Hat man einen eventuellen Erfolg im Hinterstübchen?“

Veljanov: „Man befürchtet schon einiges. Aber ich bin ja ein Künstler, der schon immer die künstlerischen Freiheiten von Seiten der Plattenfirma eingefordert hat und das wird auch respektiert. Man weiß ganz genau wo der Künstler Veljanow gut aufgehoben ist und wo nicht. Ich hab’s auch nicht nötig mich irgendwo. Naja.“

Nord bei Nordost: „… zu Playback vor kreischende Teenys zu stellen.“

Veljanov: „Na gut, dass kann man machen. Man muss es aber immer mit Würde machen, mit Stil und mit Souveränität. Dann kann man eigentlich vieles machen. Wenn man sich aber zu sehr unterordnet, ist das Scheiße.“

Nord bei Nordost: „Vielen Dank für das Gespräch!“

Mai 2001

Alexander Veljanov (Foto: Markus Rock)

Autor: Lars Schmidt

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