Lindemann

Lindemann „Skills In Pills“

„Abtreibungshymne“, „Ekel-Video“: Wenn der Boulevard Wochen vor der Veröffentlichung einer Musik-CD solche Schlagzeilen produziert, dann ist dem Künstler die gewünschte Aufmerksamkeit gewiss. Besonders wenn es sich um Rammstein-Sänger Till Lindemann handelt. Der hat nämlich mit „Skills In Pills“ sein erstes Soloalbum am Start. Der Song „Praise Abort“ und das dazugehörige Video, in dem sich der Sänger in eine Sau verwandelt und kleine Ferkel säugt, geben die Marschrichtung vor. Halten die restlichen zehn Songs, was die provokante Single verspricht?

Ja. Denn hier sind zwei absolute Profis am Werk. Lindemann hat sich für das Album mit dem bekannten schwedischen Metaller Peter Tägtgren zusammengetan. Und der Musiker von Bands wie Hypocrisy, The Abyss und Pain drückte dem Sound des Lindemann-Albums seinen unverwechselbaren Stempel auf. Dröhnende Gitarrenwände, eingängige und melodiöse Refrains mit Hitpotenzial und über allem rollt der Rammstein-typische Gesang – allerdings auf Englisch.

Rammstein im Stil des nordischen Metals

Natürlich finden sich bei Lindemann Parallelen zum Rammstein-Sound. Doch viel mehr ähneln Peter Tägtgrens Klangwelten denen von skandinavischen Bands wie Gothminister oder Dimmu Borgir. Mit all seinem orchestralen Bombast und Pathos, den im Hintergrund erklingenden Chorälen, folgt das Album ganz der Tradition des nordischen Gothic-Metals.

Wenn man etwas bemängeln will, dann, dass es hier und da gerne etwas weniger hätte sein dürfen. Doch die knallenden Breitseiten aus den Lautsprechern gehören mit all ihrer Opulenz genauso zum Konzept der Zuspitzung wie Till Lindemanns Texte, die natürlich mit jeglichen Tabus spielen und die Grenzen des guten Geschmacks ausloten.

Und so lobt Till Lindemann die Abtreibung in „Praise Abort“, singt von Drogen in „Skills In Pills“, über die Reize dicker Frauen in „Fat“ und natürlich immer wieder von Sex. Wie in „Ladyboy“ oder „Golden Shower“ mit Zeilen wie „I burn for dicks and holes“ oder „Let me eat your shame, let me sip champaign“.

„Skills In Pills“ ist wie Geisterbahn fahren

Fragte die „Bunte“ Lindemanns Lebensgefährtin Sophia Thomalla schon nach der Zeile „I hate my wife“ (aus „Praise Abort“), ob es eine Liebeskrise gäbe, will man gar nicht wissen, welche Fragen sich die Redakteure nach dem Hören eben jener sexuell recht expliziten Worte ausdenken müssen.

Womit man auch schon bei der wichtigsten Erkenntnis des Lindemann-Albums angekommen ist: Bloß nicht alles zu ernst nehmen! Die wollen doch nur provozieren… „Skills In Pills“ ist wie Geisterbahn fahren: Das Album lässt schlagerhafte Refrains auf skandinavischen Metal treffen und Horrorfilm auf Komödie prallen. Gewürzt mit einer Prise Porno und dem Böse-Buben-Image Rammsteins ist für gute Unterhaltung in einem absoluten Breitwandsound gesorgt.

VÖ: 19.06.2015 (Warner)

Dieser Artikel ist zuerst 2015 bei t-online.de erschienen.

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Autor: Lars Schmidt

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