Aigues Mortes,Südfrankreich

Kurztrip nach Südfrankreich: Mit dem Camper ins Land der Kartharer

Nur zehn Tage Zeit, aber Lust auf eine Reise nach Südfrankreich zwischen Rhône, Camargue, Mittelmeer und Pyrenäen? Auf einen Versuch kommt es an, dachte ich mir, belud eines schönen Maitages meinen Camper, fuhr los und wurde belohnt. Ich entdeckte geschichtsträchtige Orte und beeindruckende Naturlandschaften.

Tag 1: Erstmal Kilometer fressen. Knapp tausend sind es bis zu meinem ersten Ziel, der Gorges de l‘Ardèche (Schlucht des Ardèche). Dort sollte meine Reise durch die neuerdings Okzitanien* genannte Region in Südfrankreich beginnen. Doch nach etlichen Baustellen und Staus reicht es mir kurz hinter Lyon für diesen Tag. Der Einfachheit halber übernachte ich auf einer Autobahnraststätte.

Tag 2: Das kollektive Starten mehrerer LKW-Diesel neben mir weckt mich um sechs Uhr in der Früh. Ungefähr eine Stunde später brumme auch ich von der Raststätte. Jetzt kann ich es entspannt angehen, denn mich trennen nur noch rund 150 Kilometer von meinem Ziel. Ich verlasse die Autobahn bei Pont-Saint-Esprit, wo der Fluss Ardèche in die Rhône mündet, und folge nun auf der D290 immer dem Verlauf des Flusses in nordwestliche Richtung durch die atemberaubende Landschaft. Von der 200 bis 300 Meter hohen Panoramastraße bieten sich immer wieder beeindruckende Ausblicke auf den etwa 30 Kilometer langen Canyon. Beim Pont d’Arc, einem den Fluss überspannenden Felsentor, steuere ich den gleichnamigen Campingplatz an.

Südfrankreich Camping Pont d'Arc Gorges de l’Ardèche

Blick auf das Felsentor Pont d’Arc in der Schlucht des Ardèche.

Er hat eine Badestelle direkt neben dem Felsportal und wird von Kajak- und Kanu-Sportlern als Ausgangspunkt für Paddeltouren genutzt. Für sie bietet die Ardèche hervorragende Bedingungen. Im Sommer bei Niedrigwasser ziehen Familien gemütlich ihre Bahnen. Im Frühjahr und Herbst, wenn Regen und Schmelzwasser durch die Schlucht rauschen, kommen die Wildwasserprofis auf ihre Kosten.

Tag 3: Bei schönstem Wetter verlasse ich die Gorges de l’Ardèche und fahre nach Süden. Das Klima hier ist Anfang Mai optimal. Es ist schon sommerlich warm, aber nicht so heiß wie im Hochsommer. Ich stoppe am Pont du Gard – einem römischen Aquädukt. Seine Bögen umfassen drei Etagen. Insgesamt ist die Brücke 49 Meter hoch. Ein wahrhaft imposantes Bauwerk, welches in der Antike die nahegelegene Stadt Nîmes – mein nächstes Ziel – mit Wasser versorgte. Auch in Nîmes haben die Römer zahlreiche Spuren ihrer Kultur hinterlassen. Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten aus jener Zeit stammen das Amphitheater und der Tempel Maison Carrée. Beide Gebäude zählen zu den am besten erhaltenen ihrer Art aus dieser Epoche. Ich schlendere durch die Gassen, trinke einen Café, esse ein Crêpe und genieße das mediterrane Flair. Dann suche ich mir einen Campingplatz.

Tag 4: Von Nîmes geht es nach Béziers und Narbonne. Beide Städte können – wie die gesamte Region – auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Iberer lebten hier und Gallier, bevor die Römer kamen und das Land zur Provinz Gallia Narbonensis machten. Später kamen die Vandalen und die Goten. Muslimische Eroberer fielen in die Gegend ein und wurden von den Franken vertrieben. Die Kartharer errrichteten hier ihre Hauptsitze und bauten in Narbonne die mächtige Kathedrale St-Just-St-Pasteur, die mit ihrem 41 Meter hohen Chor zu den höchsten Frankreichs zählt. Doch der Papst stufte die Religionsgemeinschaft der Kartharer im 13. Jahrhundertals Ketzer ein, unter anderem weil sie das Alte Testament ablehnten. Er ließ sie verfolgen und vernichten. In Béziers fielen dem Kreuzzug gegen die Albigenser, wie sie auch genannt wurden, 30.000 Menschen zum Opfer.

Carcassonne

Die Türme von Carcassonne.

Nach den Zwischenstopps in Béziers und Narbonnen fahre ich weiter nach Carcassonne. Eine weitere ehemalige Kartharer-Hochburg. Auf diese Stadt am nördlichen Rande der Pyrenäen bin ich durch das gleichnamige Taktik-Legespiel aufmerksam geworden. Und wahrlich – die Bilder, die ich zuvor von den trutzigen Türmen und Mauern der historischen Altstadt gesehen habe, versprachen nicht zu viel. Die Festungsstadt auf einer Anhöhe über dem Tal der Aude, einst Grenzbastion zwischen den Königreichen Frankreich und Aragon, ist von einer doppelten Mauer mit 52 Türmen umgeben. Sie schützen die Burg, eine Kirche und viele andere Gebäude. Die gesamte Anlage ist ein Kleinod mittelalterlicher Baukunst. Zum Glück wurde sie bereits im 19. Jahrhundert restauriert und so vor dem Verfall bewahrt. So kann man heute in ihren Gassen ganz schnell die Zeit vergessen und sich in die Vergangenheit träumen. Trotz der vielen Touristen in diesem Freilichtmuseum.

Tag 5: Am nächsten Tag geht es wieder zurück Richtung Mittelmeer nach Gruissan-Plage, wo ich einfach den Tag am Strand und auf dem Campingplatz verbringe. Einfach nur abhängen und mal nicht Auto fahren. In den nächsten Tagen sind noch genug Kilometer abzuspulen. Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen des Platzes erinnern. Ich weiß nur noch, dass sich auf dem Areal alte Bunkeranlagen befinden.

Tag 6: Ich verlasse Gruissan-Plage und fahre über Agde und Sète nach Aigues-Mortes. Wo immer es geht, steuere ich den Camper direkt an der Küste entlang. Die ist hier von sogenannten Étangs geprägt. Das sind Lagunen zwischen dem Mittelmeer und dem Festland. Einige werden bewirtschaftet – etwa zur Salzgewinnung. Andere sind reine Naturparadiese. Eine beeindruckende Landschaft, in der die Konturen zwischen Wasser und Land zu verschwimmen scheinen. Die Luft riecht salzig und in Sète auch ein bisschen fischig. Kein Wunder – ist doch der Ort Heimat des wichtigsten französischen Fischereihafens am Mittelmeer. Also Parkplatz suchen, zur Markthalle laufen und einen leckeren Fischimbiss nehmen. Kurz vor Aigues-Mortes passiere ich den Ferienort La Grande-Motte. Eine ganz schlimme Anhäufung von Betonburgen. Ich möchte mir den Massentourismus in den Sommerferien hier gar nicht vorstellen. Da lob ich mir doch das Flair des historischen Städtchens Aigues-Mortes. In seiner lebendigen Altstadt, komplett umschlossen von einer Stadtmauer, mache ich einen entspannten Spaziergang.

Avignon

Blick von der Ile de la Barthelasse auf die Altstadt von Avignon mit dem Papstpalast.

Tag 7: Meine nächste Etappe führt mich ein Stückchen durch die Carmague. Damit bin nun in der Provence. Ich sehe rosa Flamingos, die schwarzen Carmague-Stiere und die weißen Camargue-Pferde. Danach statte ich Arles einen kurzen Besuch ab und fahre weiter in nördlicher Richtung nach Avignon. In der Stadt an der Rhône gibt es einen Campingplatz auf der Île de la Barthelasse direkt gegenüber der Altstadt. Dort schlage ich mein Nachtquartier auf und gehe zu Fuß über die Brücke in die City. Von 1309 bis 1423 war Avignon Papstsitz, nachdem aufgrund von Machtkämpfen in Rom der französische König Papst Clemens V. Unterstützung zugesagt hatte. Als Papst Gregor XI. 1377 den Papstsitz wieder zurück nach Rom verlegt hatte, gab es nach der Wahl seines Nachfolgers Zoff mit den Franzosen, weswegen diese einen Gegenpapst in Avignon einsetzten. Aus jener Zeit stammt der imposante, im gotischen Stil errichtete Papstpalast, der bis heute das Stadtbild prägt. Darüber hinaus künden viele weitere prächtige Bauten – Kirchen, Klöster, Wohnhäuser – von dieser Zeit, als Avignon zu den bedeutendsten Städten Europas gehörte.

Tag 8: Heute geht es zurück Richtung Heimat. Aber vorher mache ich einen Abstecher auf den Mont Ventoux. Der 1912 Meter hohe Gipfel liegt rund 45 Kilometer nördlich von Avignon. Die Fahrt hinauf ist einer der schwersten Anstiege bei der Tour de France. Ich nehme die D974. Auf 21 Kilometern geht es 1600 Meter nach oben. Die Steigung beträgt im Durchschnitt 7,6 Prozent. Dabei muss ich höllisch auf die vielen Radfahrer aufpassen, die ich überhole oder die mir entgegenkommen. Oben angekommen, bietet sich ein weiter Blick. Im Nordosten sieht man die Alpen. Im Süden das Mittelmeer. Statt der Weinreben und Pinienwälder am Fuße und an den Hängen des Berges, prägen den Gipfel kahle Geröllhalden. So stelle ich mir die Oberfläche des Mondes vor. Dann geht es unter extremer Rücksichtnahme auf waghalsige Radrennfahrer an der Nordflanke den Mont Ventoux wieder hinunter und auf der Autobahn gen Heimat.

Und das Fazit von Nord bei Nordost nach etwas mehr als einer Woche Südfrankreich?

Ich muss da auf jeden Fall noch einmal mit mehr Zeit im Gepäck hin! Ich habe zwar eine Menge gesehen, konnte aber vieles nur oberflächlich mitnehmen. Als geschichtsinteressierter Mensch hätte ich in dieser geschichtsträchtigen Region gerne noch mehr entdeckt. Für Besuche von Toulouse, Montpellier, Perpignan sowie Abstechern zur spanischen Grenze in die Pyrenäen oder in die wilden Cevennen mit dem Gorges du Tarn fehlte die Zeit. Auch den Canal du Midi konnte ich nicht inspizieren. Er verläuft von Sète am Mittelmeer nach Toulouse, wo er in den Canal de Garonne übergeht, der weiter bis zum Atlantik führt. Entspannt war die knapp 3000 Kilometer lange die Reise trotzdem. Mein Ausgangspunkt war übrigens Frankfurt am Main. Von dort sind es bis Nîmes 942 Kilometer. Wenn man weiter nördlich oder östlich in Deutschland startet, muss man natürlich mit einer deutlich längeren Anreise planen. Und dann lohnt es sich eigentlich nicht, nur für eine Woche oder zehn Tage nach Okzitanien zu fahren.

* Sei der Gebietsreform von 2016 heißt das Gebiet der ehemaligen Regionen Languedoc-Roussillon und Midi-Pyrénées Okzitanien.

Autor: Lars Schmidt

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