Saltatio Mortis

SALTATIO MORTIS: Die Dudelsäcke Mannheims

Das Mittelalter boomt und dieser Boom scheint nicht zu enden. Da fällt die Musik von Saltatio Mortis natürlich auf fruchtbaren Boden. Von Totentanz (so die Übersetzung des Bandnamens) – keine Spur. Vielmehr zelebrieren die sieben Musik-Alchimisten einen tönernen Zaubertrank, der süchtig macht. Zudem verbinden die Mannheimer, wie andere Kapellen, Mittelalter und Moderne miteinander. Neben dem reinen Mittelalterprogramm veröffentlichen sie auch Rock-CDs. Nord bei Nordost plauderte mit Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelmann und Lasterbalk der Lästerliche.

Nord bei Nordost: „Wie oft hört ihr den Vorwurf, eine Kopie von In Extremo und Corvus Corax zu sein?“

Falk: „Oft.“

Nord bei Nordost: „Und könnt ihr den Vorwurf entkräften?“

Falk: „Der Vorwurf perlt an mir ab wie an einem Regenschirm. Unsere Band gibt es seit Januar 2000. Jeder von uns macht aber schon zehn Jahre oder noch länger Mittelaltermusik. Ich selber habe damit begonnen, da gab es In Extremo noch gar nicht. Ich sage immer: „Das Rad wurde an mehreren Stellen gleichzeitig erfunden.“ In Extremo und Corvus Corax hatten die große Freude, als erste wahrgenommen zu werden.“

Nord bei Nordost: „Könnt ihr ganz kurz erzählen, wie ihr euch kennen gelernt habt?“

Falk: „Wir haben uns auf einem Mittelaltermarkt getroffen. Da hatte jeder von uns sein Instrument unterm Arm und suchte nach Gleichgesinnten, um gemeinsam Musik zu machen. Nachdem wir das getan hatten, beschlossen wir auch weiter zusammen zu musizieren. Allerdings noch ohne die Intention, eine Band zu gründen, sondern nur aus Spaß an der Sache.“

Nord bei Nordost: „Ward ihr alle reine Mittelaltermusikanten oder kamen einige auch aus anderen Genres?“

Falk: „Wir alle haben ein breites Spektrum an Musik durchlebt. Von Orchestermusik über Jazz bis Rock, Electro und Techno war eigentlich alles dabei.“

Nord bei Nordost: „Welchen persönliche Bezug haben Saltatio Mortis zur Epoche des Mittelalters?“

Lasterbalk: „Wir haben alle auch schon andere Aspekte des Mittelalters, neben der Musik, ausprobiert und erlebt. Falk und ich zum Beispiel waren eine Zeit als Schaukampf-Duo unterwegs. Wir haben sowohl zu Fuß als auch zu Pferd miteinander gestritten. Dadurch haben wir einen ganz eigenen Bezug zum Mittelalter bekommen. Ganz allgemein glaube ich, dass die Menschen heute noch von demselben getrieben werden, wie schon vor 1000 oder 2000 Jahren. Und das ist die große Klammer, die alles zusammenhält.“

Nord bei Nordost: „Das Mittelalter ist ja schon seit ein paar Jahren wieder sehr in Mode gekommen. Besteht da nicht die Gefahr, dass eine Verklärung stattfindet?“

Falk: „Die Vergangenheit wird immer irgendwie verklärt. Karl Valentin hat mal gesagt: „Früher war die Zukunft auch besser“. Wir sind uns bewusst, dass sich keiner von uns wünschen würde, im Mittelalter zu leben. Die Menschen von heute können sich nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen die Leute damals existiert haben. Der Wunsch nach dem Mittelalter ist daher eher ein ideeller. Es ist der Wunsch nach einer märchenhaften Zeit.“

Nord bei Nordost: „Gibt es ein Konzept, dass eurem Album „Heptessenz“ zu Grunde liegt?“

Lasterbalk: „Das Konzept sind die historischen Instrumente, mit denen ausschließlich musiziert wurde. Aber der Sound ist so, dass er in einem modernen Tanztempel problemlos die Tanzfläche beschallen kann. Wir wollten aus unseren alten Instrumenten und historischen Melodieversatzstücken einen modernen und salonfähigen Sound kreieren.“

Nord bei Nordost: „Es fällt auf, dass überwiegend instrumentale Songs auf dem Album sind…“

Lasterbalk: „Wir wollten das, was wir auf den Mittelaltermärkten spielen, auch auf CD präsentieren. Und weil wir die lautesten Dudelsäcke haben, sind wir dazu verdammt, nicht zu singen. Es geht einfach nicht. Unsere Stimmen können die Dudelsäcke nicht übertönen. Natürlich hätten wir da im Studio was faken können. Aber Mogeln kommt für uns nicht in Frage.“

Falk: „Wir haben für das Album ein paar Songs rekonstruiert und erforscht, die vor uns noch keine Mittelalter-Band gespielt hat. Bei denen haben wir viel Zeit dafür verwendet, sie zu instrumentieren…“

Nord bei Nordost: „Wie recherchiert man diese alten Lieder?“

Falk: „Es gibt historische Liedsammlungen. Als allererstes stolpert man natürlich über die „Carmina Burana“ und über die „Cantigas de Santa Maria“. Bei den Cantigas gibt es über 400 verschiedene Melodiefragmente, von denen vielleicht 150 bisher bearbeitet wurden. Da schlummern noch rohe Diamanten in den alten Schriften.“

Nord bei Nordost: „Ihr habt eine Vielzahl an alten Instrumenten eingesetzt, die ihr alle selber baut. Wo habt ihr euch dieses Wissen angeeignet?“

Lasterbalk: „Das Leben auf der Straße lehrt einen viele Dinge. Unter anderem handwerkliche Fertigkeiten. Die Vorlagen für die Instrumente findet man in mittelalterlichen Sammlungen oder man geht ins Deutsche Museum in München. Dort kann man alte Instrumente einsehen und ihre Funktionsweise erforschen. Wenn uns das Know-How fehlt, suchen wir uns Leute, die das noch können und machen es mit denen zusammen.“

Nord bei Nordost: „Und wenn Dudelsäcke und Lieder fertig sind, geht es in alter Spielmannstradition zu Fuß durch die Lande?“

Falk: „Nee, da nehmen wir das moderne Äquivalent. Es ist wesentlich einfacher, mit einem Bus zu reisen. Aber vor dem Auftritt gehen wir auf Zeitreise in die Vergangenheit, um unsere Gäste in eine alte Zeit zu entführen.“

Nord bei Nordost: „Dann seid ihr ganz die Spielleute und Troubadoure…“

Falk: „Wenn man das einmal als Lebensmaxime angenommen hat, dann kann man es einfach nicht mehr aufgeben. Man gibt den Leuten mehr als nur Musik.“

Nord bei Nordost: „Seid ihr lieber auf Märkten und Burgen oder in Clubs?“

Falk: „Clubs haben den Vorteil, dass sie meistens wärmer sind. Und trocken, wenn es regnet. Unsere Wurzeln aber sind die mittelalterlichen Märkte.“

Nord bei Nordost: „Nun gibt es ja so’ne und solche Mittelaltermärkte. Oft ist der Name doch nur noch Mittel zum Zweck. Da stehen dann Plastezelte in denen Bier und Cola aus Plastebechern und Pizza verkauft werden.“

Falk: „Verirrungen gab es zu jeder Zeit. Aber auf den Märkten, auf denen wir spielen, gibt es so was zum Glück nicht. Wir arbeiten mit Leuten zusammen, die darauf achten, dass alles möglichst authentisch ist.“

Nord bei Nordost: „Warum spielen Saltatio Mortis neben dem mittelalterlichen auch ein Rockprogramm?“

Falk: „Wir haben als eine Band angefangen, die auf Mittelaltermärkten Musik gemacht hat. Jeder von uns war schon Musiker aus Passion und Leidenschaft, bevor wir begannen, uns mit dem Mittelalter auseinanderzusetzen. Aber die Moderne muss irgendwann auch rausgelassen werden. Und bevor jeder sein eigenes Projekt anfängt, haben wir lieber was zusammengemacht. Unsere CD „Das zweite Gesicht“ war der erste Ausdruck dessen. So richtig rockig wurden wir aber erst durch ein intensives Tourjahr 2003 zusammen mit Subway To Sally. Das hat unsere Produktion der neuen Scheibe sehr geprägt.“

Nord bei Nordost: „Ist es denn etwas völlig anderes als Rockband von Club zu Club zu touren, denn als Spielleute von Mittelaltermarkt zu Mittelaltermarkt zu ziehen.“

Falk: „Oh ja. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Beim Mittelalterprogramm ziehst du einfach umher, schlägst deine Zelte auf und bist als Band für dich allein. Wir haben da bis zu zehn Auftritte pro Tag. Im Rockzirkus geht das nicht. Da absolvieren wir zwar nur einen Auftritt, brauchen aber Techniker und betreiben einen Aufwand der größer ist, als bei Mittelalterveranstaltungen. Auch das Gefühl auf der Bühne ist völlig unterschiedlich. Bei Märkten stehen die Leute unmittelbar vor uns, da kann ich sie direkt ansprechen. Man spürt, ja man riecht die Leute förmlich. Bei einer Rockbühne mit Sicherheitsgraben ist das nicht mehr so.“

Nord bei Nordost: „Wie streng trennt ihr beides voneinander?“

Falk: „Ganz einfach: Wenn wir E-Gitarren dabei haben, wird gerockt. Greifen wir alle zu Dudelsäcken und Trommeln, spielen wir Mittelalter…“

Nord bei Nordost: „Aber beim Rockprogramm sind auch Dudelsäcke dabei…“

Falk: „Ja klar. Wir wollten aber aus unserem neuen Album „Erwachen“ keine mittelalterliche Rockscheibe machen. Wir wollten keine alten Stücke oder alten Texte verrocken. Wir wollten eigene Lieder mit eigenen Texten machen, dabei aber klassische Instrumente einsetzen, als ob die ganz natürlich zur Rockmusik dazugehören. Die Dudelsäcke werden nicht wie ein typischer Dudelsack eingesetzt, sondern erfüllen oft den Part von Gitarren. Und die Drehleier übernimmt oftmals den Part von Keyboards.“

Nord bei Nordost: „Ist ein schwierig oder gar stressig für euch, beide Programme zeitlich unter einen Hut zu bringen?“

Falk: „Es ist Spaß. Wir haben alle den Schritt ins Musikerdasein gewagt. Als Hobby wäre das natürlich nicht zu meistern. Saltatio Mortis ist unsere Arbeit und unser Leben. Da stecken wir alle unsere Energien rein. Deswegen fällt es gar nicht so auf, dass wir jetzt deutlich mehr zu tun haben.“

Nord bei Nordost: „Worin seht ihr immer wieder aufs Neue die Faszination Mittelalter?“

Falk: „Für mich ist das Thema schon seit gut 25 Jahren aktuell. Und jedes Jahr am Ende der Saison kommen die großen Unken aus den Teichen hervor und orakeln, dass sich im nächsten Jahr keiner mehr für’s Mittelalter interessiert. Dabei wird es dann nur noch größer und stärker. Ein Grund für die Faszination ist der, dass sich gute Musik einfach hält. Wenn es eine Melodie geschafft hat, sich 800 Jahre oder länger in den Herzen und Köpfen der Menschen festzusetzen, dann muss man die immer wieder spielen.“

Nord bei Nordost: „Sind andere Bands aus der Mittelalter-Szene für euch eher Konkurrenten oder Freunde?“

Falk: „Konkurrenz verdirbt die Freude an der Musik. Subway To Sally sind auf der gemeinsamen Tour zu wirklich guten Freunden geworden. Und so ist es mit jedem, der einem die Chance gibt, ihn kennen zu lernen. Das ist die menschliche Seite. Auf der musikalischen zählt für mich nur die Gunst des Publikums.“

Nord bei Nordost: „Die Texte von Saltatio Mortis drehen sich alle um das Thema Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung. Ist das der rote Faden, der sich durch’s ganze Album zieht?“

Falk: „Das Album heißt ja nicht umsonst „Erwachen“. Es geht um das Erwachen vom Jugendlichen zum Erwachsenen, um das Erwachen des eigenen Willens und reifender Erkenntnisse. Für uns persönlich bedeutet dieses Erwachen, dass wir jetzt den Weg, nur noch Musiker zu sein, gehen. Vor dieser Entscheidung standen viele Überlegungen, z.B. so profane Sachen wie die Frage, was wird jetzt aus meiner Krankenversicherung oder habe ich jeden Monat genug Geld zum Leben. Das war für uns ein Prozess der Selbstfindung und Selbstverwirklichung.“

Nord bei Nordost: „Und, habt ihr jeden Monat genug Geld für Miete und Essen?“

Falk: „Des Musikers Leben ist ein hartes Brot. Aber er findet dann und wann ein weiches Bett. Es gibt aber hin und wieder noch Wochen, wo man einen Aushilfsjob annehmen muss.“

Nord bei Nordost: „Wie sieht es bei Spielleuten wie euch neben dem Gesang eigentlich mit Wein und Weib aus?“

Falk: „Da kann ich dir nur empfehlen, uns bei einem Konzert zu besuchen und Teil dieser Geschichten zu werden…“

Nord bei Nordost: „Wird gemacht. Vielen Dank für das Gespräch.“

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Saltatio Mortis (Foto: Napalm Records)

Autor: Lars Schmidt

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