Sven und Lance sind die Patenbrigade Wolff.

PATENBRIGADE WOLFF: Der Turmdrehkran im demokratischen Sektor

Anstelle gediegener Baustellen- und Kranführerromantik im elektronischen Ambientrhythmus lässt die Patenbrigade Wolff auf ihrem aktuellen Werk die Beats und die Parolen knallen. Nord bei Nordost sprach mit Brigadier Sven Wolff und Brigadeleiter Lance Murdock über Baustellen, Kräne und DDR-Geschichte.

Nord bei Nordost: „Sich musikalisch mit Turmdrehkränen und allem was dazugehört auseinanderzusetzen, ist ja nicht gerade alltäglich. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?“

Patenbrigade Wolff – Sven: „Lance hat einen Onkel der Turmdrehkranführer war und der hat uns viel davon erzählt. Was man da erlebt und was für einen schönen Ausblick man von so einem Kran hat. Dadurch entstand die Idee, diese Eindrücke musikalisch umzusetzen. Ihm hat das dann ziemlich gut gefallen und er hat’s gleich seinen ganzen Kollegen vom Bau vorgespielt, die meinten, so was müsste man richtig als CD im Laden zu kaufen kriegen.“

Patenbrigade Wolff – Lance: „Das war der Anfang 2001. Inzwischen haben wir uns aber durchaus auch anderen Themen gewidmet, wie man auf dem aktuellen Werk hören kann.“

Nord bei Nordost: „Euch selbst hat das beruflich nicht gereizt, als Kranführer eure Brötchen zu verdienen?“

Lance: „Nee. Wir haben uns zwar schon immer für Baustellen interessiert und uns das angeguckt. Aber als Broterwerb? Dann doch lieber was Kreatives, als nur den Hammer zu schwingen.“

Nord bei Nordost: „Seid ihr wenigstens schon mal auf einem Kran mitgefahren?“

Lance: „Der Plan besteht, konnte aber noch nicht umgesetzt werden.“

Nord bei Nordost: „Woher habt ihr die alten Originaltöne, die ihr für die Tracks auf dem aktuellen Werk „Demokratischer Sektor“ verwendet habt?“

Sven: „Das ist so ein Hobby von mir. Ich sammle alle möglichen O-Töne. Wenn Geschichtsdokumentationen im Fernsehen laufen, schneide ich die mit. Zum Teil haben wir die aber auch nachgemacht. Die moderne Technik macht’s möglich.“

Nord bei Nordost: „Eure neue CD ist nun von einem ganz anderen Kaliber als die vorangegangenen. Wie kommt man vom Turmdrehkranführer zum 17. Juni 1953 und zum Mauerbau?“

Sven: „Im Prinzip ganz einfach. Am 17. Juni 1953 war in Ostberlin der Arbeiteraufstand und der ging hauptsächlich von Bauarbeitern aus. Das ist die Verbindung.“

Nord bei Nordost: „Und warum habt ihr jetzt gerade diese Thematik gewählt?“

Sven: „Das Thema DDR eignet sich nicht dazu verklärt zu werden, wie es durch die Ostalgie-Welle derzeit geschieht. Vor allem diese Militarisierung des Ostens war doch heftig. Da wurden bei Militärparaden Langstreckenraketen durch Berlin gekarrt und die Leute haben gejubelt. Damals war das normal – heute wirkt es surreal. Ich denke darüber nach, das Thema in diese Richtung zu vertiefen.“

Nord bei Nordost: „Ihr habt die Zeit vor der Wende also noch bewusst miterlebt?“

Sven: Ja. Ich kann mich noch gut erinnern: 9. Klasse Wehrerziehungslager. Das war eine heftige Erfahrung. Ich war froh, dass die Wende kam bevor ich zur NVA musste…“

Nord bei Nordost: „Welche Beziehung habt ihr zu der Zeit des Arbeiteraufstandes und des Mauerbaus? Das war ja noch vor eurer Geburt?“

Sven: „Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, das nicht so DDR-gläubig war und in dem über diese Ereignisse gesprochen wurde. In der Schule wurde ja alles DDR-kritische totgeschwiegen. Durch das Sammeln der O-Töne bin ich dann wieder auf diese Thematik aufmerksam geworden.“

Nord bei Nordost: „In einem eurer Songs kommt im Refrain der O-Ton ‚Es lebe Stalin’ vor. Wenn Leute dann zu dieser Textzeile tanzen und feiern, kann man das durchaus auch kritisch betrachten. Gab es schon diesbezügliche Kommentare?“

Sven: „Bis jetzt noch nicht. Wir verherrlichen ja nichts. Wenn aber jemand damit ein Problem hat, müssen wir das akzeptieren.“

Nord bei Nordost: „Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung eurer Musik zwischen den alten und den neuen Bundesländern?“

Sven: „Ja. Das geht schon beim Bandnamen los. Den müssen wir im Westen immer erklären. Und auch die Inhalte. Das ist den im Westen Aufgewachsenen gar nicht klar, das wir hier nicht so angenehme Lebensumstände hatten.“

Nord bei Nordost: „Habt ihr eine Patenklasse?“

Lance: „Wir haben sogar mehrere. In jeder Stadt, in der wir auftreten gibt es eine. Es sind unsere Konzertbesucher.“

Nord bei Nordost: „Wenn jetzt Geschichte so ein wichtiges Thema ist, ist mit den Turmdrehkränen in absehbarer Zeit Schluss?“

Sven: „Nee. Mich inspiriert das immer noch. Kürzlich erst kam ich an einer Baustelle mit acht Turmdrehkränen vorbei. Da hatte ich gleich drei neue Songideen.“

Nord bei Nordost: „Und die erscheinen wann?“

Lance: „Geplant ist Weihnachten 2008. Wenn wir unseren Plan einhalten…“

Nord bei Nordost: „Vielen Dank für das Interview. Gibt es einen typischen Turmdrehkranführergruß?

Lance: „Bauarbeiter aller Länder vereinigt euch!“

Mehr zu Patenbrigade Wolff auf Nord bei Nordost:

CD-Kritik „Demokratischer Sektor“

CD-Kritik „Werkzeugbuch“

Hier gehts zur Patenbrigade im Web.

Autor: Lars Schmidt

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