
DIE ART – Nicht vom Aussterben bedroht
Es klingt ein bisschen nach vom Aussterben bedroht, wenn man Die Art als eine der letzten ihrer Art bezeichnet. Doch das Wortspiel liegt auf der Hand. Es ist eine der wenigen so genannten „anderen“ Bands der DDR, die bis heute aktiv ist. Es gab nur eine kurze Auszeit. Zudem sind die Leipziger selbst Meister der Doppeldeutigkeit, wie ihre Albumtitel „Gift“, Still“ und „Last“ belegen. Lesbar jeweils deutsch wie englisch, aber mit durchaus unterschiedlichen Bedeutungen.
Gegründet 1984, eckte die Band allein wegen ihres damaligen Namens Die Zucht in der DDR sofort an. Um ein Verbot zu umgehen, änderten ihn die jungen Musiker um Sänger Makarios 1986 in Die Art um. Suspekt blieben sie den Funktionären dennoch. Englische Texte, schnelle Punkrhythmen – mit dem Klang der staatlich verordneten Musikkultur hatte das nichts zu tun. So war auch die Stasi ständiger Gast bei Die-Art-Konzerten. „Wir wussten schon, dass man uns auf dem Kieker hat“, erinnert sich Makarios. „Aber wir haben einfach weitergemacht.“
„Wide Wide World“ – ein Fall für die Zensur
1989 – im DDR-Rundfunk gab es inzwischen eine eigene Sendung für diese Bands und ihre Musik – bekam Die Art das überraschende Angebot, eine Platte beim DDR-Label Amiga zu veröffentlichen. Bedingung: Der Song „Wide Wide World“ kommt nicht aufs Album, weil er zur Republikflucht aufrufen würde. Die Band schlug das Angebot deshalb aus. „Fear“, so der Titel ihres Debüts, erschien gut ein Jahr später. Die Mauer war gefallen, die DDR Geschichte und „Wide Wide World“ auf dem Album.
Bis heute gehört der Song zum Live-Repertoire der Leipziger. „Er ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte“, so Makarios. Dennoch haben sich die Inhalte und Aussagen der Die-Art-Songs mit dem Untergang der DDR verändert. Man sei heute weniger zornig als damals, so der Sänger. Mehr als zwanzig Jahre und elf Alben später spielen die dunklen Seiten des Daseins aber immer noch eine große Rolle in den Texten von Makarios. Alles in Frage zu stellen, war und ist sein Anliegen. Lyrisch und poetisch, kritisch und aggressiv, romantisch und melancholisch, mit vielen Doppeldeutigkeiten und Interpretationsspielraum, aber immer mit einer Aussage und nie oberflächlich oder plakativ.
Tanzende Schwermut

Die Art (2014): Thomas Gumprecht, Conrad Hoffman (hinten), Sven Löbert, Makarios.
„Unsere Wurzeln liegen im Düsterpunk und davon ausgehend entstehen immer wieder neue Texte, Lieder, Alben“, sagt Makarios. Musikalisch hat Die Art in ihrer Geschichte das gesamte Spektrum zwischen Postpunk, Darkwave und Gitarrenpop abgegrast, ohne dass dabei ein Album wie das andere klingt. Einzige Gemeinsamkeiten: Das markante Saitenspiel von Gitarrist Thomas Gumprecht und die großartigen Melodien, die den oftmals melancholischen Titeln viel von ihrer Schwere nehmen, sie rockig, treibend und tanzbar machen.
Auf ihrem Werk „Arcane“ von 2012 gehen sie wieder einen neuen Weg. Darauf werden die Songs von filmmusikartigen Klangteppichen eingerahmt. „Es geht uns nicht darum, gefällig zu sein oder irgendeiner Szene zu dienen. Wir wollen künstlerisch weiterkommen“, beschreibt Makarios die Motivation der Band, zu der nach einer Neuformierung im Jahr 2007 neben ihm und Gitarrist Gumprecht auch der Bassist Conrad Hoffman und Drummer Sven Löbert gehören.
Auf vom Aussterben bedroht deutet bei Die Art also überhaupt nichts hin. Die Musiker touren jedes Jahr fleißig durch die Republik und versorgen ihre treuen Fans mit liebevoll gestalteten Vinylpressungen ihrer frühen Werke. 2014 erschien das bis dato letzte Album „Success“. Makarios ist nebenher noch Sänger und Texter des Projekts The Russian Doctors. Doch irgendwann werden die Leipziger auch wieder für neue Die-Art-Songs sorgen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Darmstädter Echo in der Ausgabe vom 7. November 2012. Der letzte Absatz wurde aus Aktualitätsgründen ergänzt.
Die Art (Fotos: Claudia Weingart)
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