Blutengel

Blutengel „Leitbild“

Musikalisch hat das Berliner Gothic-Pop-Projekt sein Leitbild schon längst gefunden. Elektronische Beats und eingängige Melodien – stets düster angehaucht – sind zum erfolgreichen Markenzeichen der Band geworden. Auf ihrem neuesten Album sind Blutengel dem Titel nach einem inhaltlichen „Leitbild“ auf der Spur. Verpassen aber die Möglichkeit, klare Statements abzugeben.

Okay – inhaltliche Tiefe und Vielfalt waren noch nie die Stärke Blutengels. Selbst wenn es um Gesellschafts- oder Religionskritik geht, wie auf dem aktuellen Album im Song „Gott: Glaube“, bleiben die Texte allgemein und unkonkret. Darüber hinaus zelebrieren die Worte von Blutengel-Chef Chris Pohl gerne das Anderssein, in dem er die gängigen Wertevorstellungen der Schwarzen Szene gekonnt bedient. Ein Song wie „Lebe deinen Traum“ trägt dieses Motto bereits im Titel. In „Unser Weg“ heißt es nicht unpathetisch: „Unsere Seelen sind schwarz, unsere Herzen sind aus Gold, wir sind stolz auf was wir sind“.

„Wir gegen die“-Gefühl

Das ist auch soweit völlig in Ordnung, weil es bei den Grufties, die den größten Teil der Blutengel-Fans ausmachen, auf ein zielgruppenrelevantes  Selbstverständnis stößt. Es bestärkt deren „Wir gegen die“-Gefühl, weil es allgemeine Lebens-, Sinn-, Werte und Identifikationsfragen stellt und einfache Antworten liefert. Doch in diesem Kontext kann ein Song wie „Leitbild“ gerade wegen dieser Verallgemeinerung und Vereinfachung auch ganz leicht missverstanden und von den falschen Leuten missbraucht werden. Denn da heißt es: „Wir werden nicht mehr weitergehen. Nicht mehr in eure Richtung. (…) Wir wollen glauben woran wir wollen. Wir schaffen uns unser eigenes Leitbild.“

Nun sollte man diese Zeilen auch nicht überbewerten oder gar politisieren. Was ich sagen will ist schlicht: Wenn schon so ein markiger Titel wie „Leitbild“, dann bitte auch eine klare Aussage dahinter und nicht so ein Wischiwaschi. Gerade in Zeiten von Fake News und Alternativen Fakten wäre ein deutliches Statement – auch von Blutengel – willkommen gewesen.

Und musikalisch? Da bleibt sich Chris Pohl treu. Wozu das Erfolgsrezept, welches seit 2002 jedes Blutengel-Album in die Charts brachte, ändern. Die Melodien gehen ins Ohr, die Rhythmen sind tanzbar. Es gibt ein paar soundtechnische Spielereien, die wie die Töne aus einem Achtziger-Jahre-Computerspiel klingen. Und der Refrain zu „Black“ liefert Reminiszenzen an die Sisters of Mercy. Das ist solide und gefällig. Aber auf Dauer auch ein bisschen langweilig.

VÖ: 17.02.2017 (Out of Line)

Mehr über Blutengel bei Nord bei Nordost:

Interview „Ich scheue mich, zu starke Positionen einzunehmen“

 

Autor: Lars Schmidt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.