Blutengel

Blutengel: „Ich scheue mich, zu starke Positionen einzunehmen“

Chris Pohls Band Blutengel gehört seit Jahren zu den kommerziell erfolgreichsten deutschen Gothic-Acts. Auch außerhalb der Szene findet seine Musik Gehör. Vor klaren Statements schreckt der Musiker jedoch zurück, wie er im Interview zugibt: „Ich spreche die Sachen an, bleibe aber an der Oberfläche und überlasse den Rest dem Hörer.“

Nord bei Nordost: Herzlichen Glückwunsch zu Platz vier für „Leitbild“ in den Albumcharts. Zum dritten Mal hintereinander landet ein Alben von Blutengel auf dem vierten Platz. Woran liegts, dass diese Hürde nicht genommen wird?

Chris Pohl: Das liegt natürlich an der Konkurrenz in der jeweiligen Veröffentlichungswoche. Dass Philipp Poisel auf Eins geht und Amy MacDonald auf Zwei war mir schon klar. Und dann kam noch der gute alte Falco aus der Gruft und hat sich an uns vorbei auf Platz drei geschlichen. Was ich ihm aber gönne, da er ein großartiger Künstler war und ich seine alten Sachen sehr mochte.

Du hast dich bei deinen Fans aber auch wieder ganz schön eingeschleimt, wenn ich an Lieder wie „Unser Weg“ mit der Zeile „Unsere Seelen sind schwarz, unsere Herzen sind aus Gold, wir sind stolz auf was wir sind“ denke. Ist das auch ein bisschen Kalkül?

Auf der einen Seite ja. Andererseits dachte ich aber, es kommt viel mehr Kritik. Weil es wieder ein paar Nummern gibt, wo die Leute die deutschen Texte und die eingängigen Melodien bemängeln und sagen „Macht doch nicht so auf Unheilig“. Was man uns sicherlich vorwerfen kann ist, dass wir den Song „Unser Weg“ vorher veröffentlicht haben, um Werbung für die Platte zu machen. Aber extra Lieder für die Fans machen wir nicht.

Aber Titel wie „Unser Weg“ oder euer Klassiker „Children of the Night“ drücken schon die Gefühle der meisten Blutengel-Fans aus…

Ich drücke damit in erster Linie meine Gefühle aus. Aber klar, ich bin ja in der Szene drin. Und ich mag den Pathos und die Klischees, die mit der Gothicszene verbunden sind. Es gibt aber auch Lieder, mit denen sich auch Leute außerhalb dieser Szene identifizieren können. Und ich habe die Freiheit beides machen zu können.

Was hältst du von dem Song „Children of the Dark“ von Mono Inc, Lacrimosa und Joachim Witt? Der ist ja direkt als Szenehymne promotet worden.

Da würde ich mal sagen, ohne jemanden in die Pfanne hauen zu wollen, steckte Kalkül dahinter. Der Rest des Albums klingt ganz anders.

Ich habe in meiner CD-Rezension von „Leitbild“ die Verallgemeinerung und Vereinfachung deiner Texte kritisiert. Speziell bezogen auf den Titeltrack. Zitat: „Wir werden nicht mehr weitergehen. Nicht mehr in eure Richtung. Wir wollen glauben woran wir wollen. Wir schaffen uns unser eigenes Leitbild.“ Meiner Meinung nach kann jeder diese Worte so interpretieren, wie sie gerade für ihn passen. Warum hast du dich gescheut, deutlicher zu werden?

Die Thematik „Leitbild“ wird ja von mehreren Songs des Albums aufgegriffen. Es geht darum, falschen Vorbildern zu folgen. Aber es stimmt. Ich scheue mich immer ein bisschen, zu starke Positionen einzunehmen. Vor allem, wenn es politisch wird. Wir sind keine politische Band. Ich spreche die Sachen an, bleibe aber an der Oberfläche und überlasse den Rest dem Hörer.

Jetzt bietet aber genau diese Oberflächlichkeit die Gefahr von Fehlinterpretationen. Gerade in Zeiten von Fake News und Alternativen Fakten, wo sich viele ihre Meinung machen, so wie es ihnen gerade am besten passt. Und dann läuft „Leitbild“ plötzlich auf dem Parteitag der AfD.

Ja. Die Gefahr kann theoretisch bestehen. Aber ich halte das für unwahrscheinlich. Ich möchte meine Musik nicht nur für bestimmte Leute machen. Erst mal ist es mir egal, wer sie hört. Aber im Fall von „Leitbild“ sehe ich das total anders. Denn genau den von dir angesprochenen Leuten möchte ich nicht folgen. Zu denen sage ich nein.

Wie ordnest du die Zeit in der wir gerade leben ein? Wie fühlst du dich?

Ich finde es gerade alles sehr erschreckend. Als ob wir auf einem Pulverfass sitzen. Viele Leute denken nicht mehr nach, hinterfragen nicht. Es ist ja auch so einfach, immer nur zu meckern und alles schlecht zu finden. Und das führt eben dazu, dass Leute die falschen Parteien wählen. Über die Konsequenzen macht sich nur niemand Gedanken.

Was muss sich ändern?

Die Leute sollen ihr Gehirn einschalten! Und sie sollen sich darüber klar werden, für welche Werte sie wirklich stehen.

Für welche Werte stehst du?

Ehrlichkeit, Stolz, Toleranz, Intelligenz.

Was wünschst du dir privat für die Zukunft?

Ich möchte noch sehr lange erfolgreich Musik machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr zu Blutengel bei Nord bei Nordost:

CD-Kritik „Leitbild“

Video-Interview mit Chris Pohl zum Album „Omen“ für t-online aus dem Jahr 2015. Ich sprach mit dem Musiker unter anderem über Gruftie-Klischees, Shades of Grey und Helene Fischer. Dieser Link führt zum Video mit dem Interview.

(Foto: Out of Line)

Autor: Lars Schmidt

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