Haus in der Bretagne

Bretagne – Wunderschönes Land am Meer

1200 Küstenkilometer – geprägt von schroffen Felsen, steilen Klippen und lang gezogenen Buchten mit herrlichen Stränden – umtost und geformt von der Brandung des Atlantiks. Dahinter malerische Fischernester, mittelalterliche Städte, Megalithen, Dolmen und Menhire. „Armor“ – Land am Meer – nannten die Kelten die Bretagne. Kein anderes Element hat diese nordwestlichste Ecke Frankreichs so geformt wie das Wasser.

„Ich habe die Bretagne seit 1999 mehrmals bereist. Mit dem Camper und als Ferienhaustourist. Dieser Bericht für Nord bei Nordost ist eine Zusammenfassung meiner Touren durch diesen faszinierenden Zipfel Europas. Die Landschaft mit ihrer wilden Küste, ihrer Tradition und Kultur zieht mich bis heute in ihren Bann.“

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Die Bretagne war lange Zeit ein unabhängiges Herzogtum und konnte sich der Eroberung durch Frankreich erwehren. Erst seit 1532 gehört sie zum Machtbereich Paris’. Viele Festungsstädte im Osten der Bretagne erinnern an jene kriegerischen Zeiten. Zwei der schönsten und imposantesten sind Vitré und Fougères. Schmale und verwinkelte Gässchen gesäumt von windschiefen Fachwerkhäusern prägen das Bild der alten Stadtkerne. Die trutzigen Türme des Schlosses in Vitré sowie das gewaltige Chateau von Fougères, eines der größten seiner Art in Frankreich, bilden eine beeindruckende Kulisse.

Einfach magisch: Mont St. Michel

Mont St. Michel.

Das Wahrzeichen an der normannisch-bretonischen Grenze: der Mont St. Michel.

Meine Reise führt mich weiter Richtung Norden, wo ich die Bretagne kurz verlasse. Eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Frankreichs zieht mich magisch an: der Mont St. Michel. Jenes „Wunder auf dem Felsen“, das sich weit sichtbar aus der gleichnamigen Bucht in der angrenzenden Normandie erhebt. Wer dieses imposante Meisterwerk romanischer und gotischer Baukunst ungestört auf sich wirken lassen will, müsste eigentlich im Winter kommen. Von Frühjahr bis Herbst herrscht hier Hochsaison, trampeln abertausende Touristen in den engen Gassen den Klosterberg hinauf oder wandern bei Ebbe durch das umliegende Watt. Und doch verliert der Mont St. Michel nichts von seiner magischen Ausstrahlung. Stoisch trotz er dem Ansturm. Der Charme der ineinander verschachtelten Bauten, Krypten, Kirchen, Klostergebäude und Wohnhäuser ist stärker als die Touristenmassen. Ein Erlebnis für sich sind die nächtlichen Rundgänge durch die Gemäuer, die von April bis September möglich sind. Licht- und Klanginstallationen tauchen die klösterlichen Räume in eine mystische Atmosphäre.

Vom Mont St. Michel geht es über die normannisch-bretonische Grenze und immer an der Küste entlang gen Westen. Der Mont bleibt noch eine ganze Weile mein Begleiter. Erst im Seitenfenster und dann im Rückspiegel des Autos. Über das Austernzentrum Cancale und die ehemalige Piratenhochburg St. Malo führt mein Weg den Fluss Rance hinauf nach Dinan. Das Städtchen oberhalb des Flussufers ist ein mittelalterliches Kleinod mit so engen Straßen, das sich die Dachfirste der gegenüberstehenden Fachwerkhäuser fast zu berühren scheinen. Viele Cafès, Crêperien und Restaurants laden zum Verweilen. Meeresfrüchte aller Art, Crêpes und Galettes, die herzhaften Pendants zum Crêpe und eine bretonische Spezialität, sollten auf einer Bretagnereise unbedingt probiert werden! Dazu einen erfrischenden Cidre, und weiter kann die Reise gehen. Zurück zur Küste, zum Cap Fréhel, wo das „Land am Meer“ beginnt seine ganze Wildheit zu zeigen.

Felsen, Felsen, Felsen

70 Meter hohe Steilklippen – das Cap Fréhel ist eines der beeindruckendsten in Nordfrankreich. Seevögel lassen sich von den Winden tragen, die Natur zeigt sich von ihrer rauen Seite. Und ein gewaltiger Leuchtturm schickt bei Nacht sein Licht bis zu 120 Kilometer weit über das Meer. Von welcher strategischen Wichtigkeit diese Küste war, zeugt das Fort La Latte auf dem benachbarten Felsvorsprung. Seit dem 10. Jahrhundert diente die imposante Anlage als Schutz vor Überfällen. Und noch heute zeigt die intakte Festung eindrucksvoll, wie schwer dieses Fort einzunehmen war.

Riesige Felsbrocken, aufgetürmt zu bizarren Figuren und Formationen, rosafarbenes Gestein, das im Sonnenlicht erstrahlt, und dazwischen immer wieder die schönsten Strände mit kristallklarem Wasser. Nicht umsonst heißen die Uferlinien im Norden der Bretagne Smaragdküste und Rosa Granit Küste. Vom Cap Fréhel über St. Brieuc, Paimpol, Tregastel und Morlaix überraschen sie immer wieder mit ihrem landschaftlichen Wechselspiel. Überall möchte man verweilen. An einem der Strände dem Rauschen der auflaufenden Flut lauschen. Bei Trégastel oder Ploumanac’h über die Felsen klettern, dren bizarre Formen die Fantasie anregen. Oder im Straßencafè dem Treiben der Fischer zuschauen. Kalvarienberge, aus Stein gehauene Passionsgeschichten, schmücken fast jedes Dorf. Diese Glaubensbekenntnisse stehen stets in ummauerten Kirchhöfen und sind eine bretonische Eigenart.

Auch hinter Morlaix bleibe ich der Küste treu und fahre in großem Bogen dem westlichsten Zipfel Frankreichs entgegen. Hier, an der Côte des Abers, ist das Gesicht der Landschaft von drei breiten, fjordähnlichen Flussmündungen, Abers genannt, geprägt. Bei Flut sind sie mit reichlich Wasser gefüllt, während sie bei Ebbe trockenfallen. Wunderschöne Strände und Campingplätze gibt es am Brignogan Plage und in den Dunes de St. Marguerite.

Das Ende der Welt

Camper-Idylle auf der Halbinsel Plougastel.

Camper-Idylle auf der Halbinsel Plougastel südlich von Brest.

Finistère – Ende der Welt – heißt der westlichste Teil der Bretagne. Der Pointe de St. Mathieu ist sein äußerster Vorposten, und ein Blick von dort hinaus auf den Atlantik lässt die Dimension dieser Landschaftsbezeichnung erahnen. Zwei Leuchttürme und eine Klosterruine markieren diesen Punkt. Ganz in der Nähe liegt das urige Fischernest Le Conquet. Draußen im Meer die Ile de Quessant – eine von 800 bretonischen Inseln und Inselchen. Südlich, auf der anderen Seite der Brester Rede, die Halbinsel Crozon.

Das ist mein nächstes Ziel und – das sei hier verraten – mein Lieblingsort in der Bretagne. Die alte Hafenstadt Brest umfahre ich, statte der zwischen Brest und Crozon gelegenen Halbinsel Plougastel einen Kurzbesuch ab, um dann ohne weitere Umwege zu meinem Ziel zu gelangen. Crozon mit seiner dreizackigen Halbinselform hat alles, was die Bretagne ausmacht, auf kleinstem Raum. Schmale und teils atemberaubende Serpentinenstraßen mit bis zu elfprozentigen Steigungen führen zu den schönsten und spektakulärsten Aussichtspunkten. Mit dem Pointe de Espanol, Pointe du Toulinguet, Pointe de Penhir, Pointe de Dinan und dem Cap de la Chèvre gibt es davon gleich fünf. Feinsandige Strände, wie der Plage de Goullien, blühende Heidelandschaften, das lebendige Fischerdorf Camaret und der hübsche Badeort Morgat bieten alles, was das Herz des Bretagne-Fans begehrt.

Chaos auf Quiberon

Auf der Reise von Crozon in den Süden der Bretagne lohnt sich ein Abstecher nach Locronan. Das Dorf verfügt noch über einen original mittelalterlichen Ortskern, diente schon oft als Filmkulisse und zählt ganz offiziell zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Von dort fahre ich zum lebhaften Fischereihafen Douarnenez und weiter westwärts zur weit ins Meer ragenden, schroffen Felsspitze Pointe du Raz. An der langgezogenen Bucht von Audierne gibt es dann zum letzten Mal richtig viel Platz am Strand. Denn je weiter ich in den Süden der Bretagne komme, je mehr nimmt der Touristentrubel zu. Die Südküste der Bretagne ist als Urlaubsort wegen ihres milden Klimas beliebter und daher stärker besucht als die Nordküste.

Dennoch hat auch die südliche Bretagne ihren Reiz. Das milde Klima schlägt sich in der Vegatation nieder. Man sieht hier und da Palmen und blühende Hortensien in allen Farben schmücken fast jeden Garten. Ich entscheide mich für einen Abstecher nach Pont Aven und bereue es nicht. In dem romantischen Örtchen erinnert alles an den Maler Paul Gauguin, der sich hier insgesamt vier Mal aufhielt. Richtung Lorient werden die Strände dann immer voller. Zum Desaster wird die Tour nach Quiberon. Hier erfahre ich zum ersten Mal, welche Formen Massentourismus in der Bretagne annehmen kann. Überfüllte Campingplätze, überlaufenen Strände. Keine Spur von Ruhe und Einsamkeit.

Ich drehe um und fahre zurück auf’s Festland nach Carnac – jenem durch seine prähistorischen Steinreihen berühmt gewordenen Ort. 1099 Menhire stehen in elf Reihen auf einer Länge von 1167 Metern. Bedeutung unklar. Weitere Steinsetzungen finden sich in Kermario und Kerlescan. Alle diese Formationen laufen in so genannten Cromlechs (Steingehegen) aus und scheinen als Richtpunkt den Grand Menhir von Locmariaquer am Golfe de Morbihan zu haben. Dieser größte aller bekannten Hinkelsteine liegt heute leider zerbrochen am Boden.

Auf nach „Rohan“

Schloss in Josselin.

Das Schloss der Herzöge von Rohan in Josselin.

Vorbei am Golfe du Morbihan, einem Binnenmeer mit vielen kleinen Inseln, führt mein Weg nach Vannes. Wie schon Dinan erstrahlt auch diese Stadt im Glanze ihrer liebevoll restaurierten mittelalterlichen Gebäude und ist voll von buntem und quirligem Treiben. Meine letzten Ziele in der Bretagne liegen dann im Landesinneren.

Ich fahre in das Städtchen Josselin mit seinem prächtigen Schloss. Es gehört den Herzögen von Rohan. Ein Name, bei dem ich in Kombination mit dem imposanten Gebäude, sofort an „Herr der Ringe“ denken muss. Einen Teil der Räume kann man übrigens besichtigen. Im anderen Teil des Schlosses wohnt der 14. Herzog von Rohan.

Gleich nebenan von Josselin liegt der Forst von Paimpont, der Zauberwald von Broceliande. Hier, wo die keltische Kultur am längsten überlebte, treffen ich auf die Geschichte von König Artus. Der Zauberer Merlin soll hier von der Fee Viviane in einem magischen Kreis eingeschlossen worden sein. Und die Zauberin Morgane, Artus’ Halbschwester, habe treulose Männer in ein Tal ohne Wiederkehr geschickt. Heute lässt das durch Abholzung geschrumpfte Gebiet nur noch erahnen, wie wild-romantisch dieser Wald einmal gewesen sein muss. Ein funkelnder See und kunstvoll verzierte Bäume im Tal ohne Wiederkehr, sorgen aber noch für einen kleinen Hauch von Zauberei.

Bretonische Besonderheiten

Die Bretagne ist anders als das übrige Frankreich. Die Einwohner verstehen sich zuerst als Bretonen und erst danach als Franzosen. Neben der Trikolore Frankreichs weht stets der Gwen ha Du, die bretonische Flagge, und viele Einheimischen zeigen mit einem BZH-Aufkleber (Abk. f. Breizh; Bretagne in der Landesprache) am Auto ihren Nationalstolz. Die bretonische Sprache wird gepflegt. Alle Ortsschilder sind zweisprachig. Auch die keltische Tradition spielt eine große Rolle. Schließlich kamen die Bretonen im 5. und 6. Jahrhundert aus Britannien, als sie dort von den Sachsen verdrängt wurden. Und Bretonisch ist neben Gälisch (Irland), Kymrisch (Wales) und Cornisch (Cornwall) die letzte noch existierende keltische Sprache.

Die wichtigsten Stationen der Bretagne-Reisen von Nord bei Nordost

Vitré – Fougères – Mont St. Michel – St. Malo – Dinan – Cap Frehel – Plougrescance (Pointe du Chateau) – Ploumanac’h – Morlaix – Roscoff – Brignogan Plages – Le Conquet – Pointe de St. Mathieu – Crozon (Camaret) – Locronan – Pointe du Raz – Quimper – Pont Aven – Quiberon – Carnac – Vannes (Golfe du Morbihan) – Josselin – Broceliande

 

Dieser Artikel ist zuerst 2008 bei gothmund.de und dann 2013 bei t-online.de erschienen.

Autor: Lars Schmidt

KOMMENTARE

Kaptän E. Mahler

Nach meinem Wissen ist die Cornische Sprache 1774/6 mit dem Ableben einer Einwohnerin in Cornwall ausgestorben. Ich ofrmals in Cornwall und den Scilly Islands beruflich wie auch im Urlaub.

    Lars Schmidt

    Hallo Kapitän E. Mahler. Es stimmt, das Kornische, schreibt sich offiziell sogar mit „K“ – ist ausgestorben. Seit dem frühen 20. Jahrhundert wird die Sprache jedoch wiederbelebt und rekonstruiert. Vielen Dank für den Hinweis!

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