
QNTAL: „Der Schwan ist ein schönes Symbol für das was wir tun“
Syrah und Michael Popp von Qntal erzählen im Interview über den Schwan als passendes Symbol für die Band, den Ärger über die so genannte Rumpelfraktion unter den Mittelalterbands und das Glück, nicht in einem Orchester spielen zu müssen. Leider musste Sängerin Syrah das Gespräch vorzeitig beenden, um ihre angekratzte Stimme vor dem Auftritt in der Frankfurter St. Bonifatius Kirche zu schonen.
Nord bei Nordost: „Syrah, von dir kommen die Texte, die Michael dann vertont. Wie muss man sich eure Zusammenarbeit vorstellen. Ist sie harmonisch oder kontrovers?“
Syrah: „Wir harmonieren. Alle Stücke die ich vorschlage, gefallen Michael. Nun werden natürlich nicht alle Textvorschläge vertont. Aber bei gut der Hälfte hat Michael Vorstellungen, wie diese klingen könnten.“
Michael: „Wir kennen uns schon viel zu lange, um zu streiten. Was Qntal angeht sind wir uns in allen Belangen einig. Anders würde das auch gar nicht funktionieren.“
Nord bei Nordost: „Der Schwan steht als Symbol für euer aktuelles Album. War dafür nur das Werk des Komponisten Orlando Gibbons, „Silver Swan“, ausschlaggebend. Oder gab es auch andere Gründe?“
Syrah: „Das passte schon gut zu Qntal. Der Stil, den wir prägen, hat ja etwas positiv Elitäres mit dem man sich aus der Masse abhebt, um anspruchsvolle Musik zu machen. Er kann einen selbst und das Publikum zum Abheben bringen. Von daher ist der Schwan ein schönes Symbol für das was wir tun.“
Nord bei Nordost: „Ihr lebt alle in München bzw. Berlin, also in großen Städten. Eure Musik aber klingt alles andere als aus einer Metropole entsprungen. Sie klingt nach endloser Weite, glasklaren Seen, bewaldeten Bergen und alten, romantischen Burgen und Schlössern. Woher beziehen Großstädter wie ihr die Inspirationen, solche Musik zu komponieren?“
Syrah: „Das ist ganz unterschiedlich. Zum einen sucht man natürlich immer nach einem Kontrast. Zum anderen sind die Inspirationsquellen ganz unterschiedlich. Hauptsächlich sind es aber Kunst, Literatur und Natur. Was ich an München liebe, das ist die tolle Umgebung. Es gibt Berge und Seen. Aber auch meine Familie ist für mich eine Quelle der Inspiration.“
Nord bei Nordost: „Beeinflussen sich Qntal und Estampie (das andere Projekt der beiden, Anm. d. Red.) gegenseitig?“
Michael: „Kann man so nicht sagen. Natürlich haben beide miteinander zu tun. Aber die Arbeitsweisen sind sehr unterschiedlich. Estampie funktioniert paradoxerweise eher wie eine Rockband, wo viel in der Gruppe über Improvisation und ausprobieren gearbeitet wird. Und Qntal ist mehr intellektuell und konzeptionell angelegt.“
Nord bei Nordost: „Euer neues Album hat aber eine weltmusikalische Note, die schon an die letzten Estampie-Alben erinnert…“
Michael: „Es gab zwei wichtige Elemente bei der Entstehung des Qntal-Albums: erstens eine sehr ruhige Grundeinstellung, die zweitens von akustischen Instrumenten hergestellt werden soll. Und da sind wir dann natürlich schon nahe an Estampie.“
Nord bei Nordost: „Ihr habt die rein mittelalterliche Musik im Vergleich zum Vorgängeralbum noch ein bisschen weiter hinter euch zurückgelassen…“
Michael: „Das Mittelalter ist nicht mehr so vordergründig. Aber es ist noch da. Der Grund dafür war der Ärger über die Rumpelfraktion der Mittelalterbands. Da hat sich inzwischen so eine Kommerzialität entwickelt, weil viele Bands diese Musik nur machen, weil es die einfachste Form von Musik ist. Und das geht mir total auf den Geist. Nichts gegen die Vorreiter der Bewegung wie Corvus Corax oder In Extremo. Die haben sich ihren Erfolg verdient. Aber es gibt zu viele Nachahmer. Und keiner von denen bringt etwas Neues mit ein. Ich glaube, die kaufen sich die alten Platten von Corvus Corax und spielen alles nach. Und dann Jahr ein, Jahr aus dasselbe Getröte auf den Mittelaltermärkten – das hältst du ja im Kopf nicht aus. Dabei reduzieren sie das Mittelalter auf dieses Hau-drauf-Gehabe und da wollten wir gegen an steuern.“
Nord bei Nordost: „Ist denn euer jetziges Album der Beginn einer leisen Verabschiedung aus dieser Szene?“
Michael: „Nein! Erstmal weiß ich es nicht. Wenn ich es wüsste, wäre ich mir dessen nicht sicher. Und wenn ich mir sicher wäre, würde ich es nicht sagen.“
Nord bei Nordost: „Was hältst du von der Carmina-Burana-Vertonung von Corvus Corax?“
Michael: „Find ich gut. Die Jungs haben tolle Ideen. Die CD ist wunderbar, ein beachtenswertes Werk.“
Nord bei Nordost: „Ihr habt beide am Mozarteum in Salzburg studiert. Wenn ihr heute Kommilitonen von damals trefft, was sagen die zu eurer Musik?“
Michael: „Als wir mit Qntal anfingen, war das noch ein ziemliches Tabu. Als klassischer Musiker hat man auf Popmusik verächtlich herabgesehen. Das hat sich zum Glück gewandelt. Heute gibt es studierte Musiker die bei Andre Rieu im Orchester spielen. Die renommierten Jobs in der Klassik sind heute außerdem so rar geworden, die kannst du an einer Hand abzählen.“
Nord bei Nordost: „Du hast deinen Schritt, freischaffender Künstler mit eigenen Ensembles zu werden, also nie bereut?“
Michael: „Ich war nie für ein Orchester geschaffen. Das wusste ich schon während des Studiums. So ein Orchester ist wie eine Schulklasse. Gestandene Menschen benehmen sich da wie zwölfjährige Pennäler und schütten dem Trompeter Wasser in sein Instrument. Vielleicht erinnerst du dich an den Skandal, als die Berliner Philharmoniker zum ersten Mal in Israel waren um Wagner aufzuführen. Da hat ein Kontrabassist im Hotel die Rechnung mit Adolf Hitler unterschrieben. Der Mann, ein 60-jähriges SPD-Mitglied, hat das als Dummen-Jungenstreich angesehen. Der dachte das ist lustig. Und das ist nur ein Beispiel, wie diese Leute drauf sind.“
Nord bei Nordost: „Das soundtrackmäßige „Von den Elben“ ist einer der imposantesten Titel auf eurer CD. Leider kommt er für den Film „Der Herr der Ringe“ etwas zu spät…“
Michael: „Das Lied habe ich im Urlaub in Griechenland geschrieben. Ich hatte eine Bouzouki dabei und der Song war sehr folkig geraten. Als dann der Fantasy-Künstler Bryan Froud ein Video zu dem Song produziert hat, habe ich ihn mehr soundtrackmäßig angelegt. Vielleicht passiert da ja in der Zukunft noch was. Mit Estampie hatten wir ja schon die Ehre für einen Hollywood-Soundtrack ausgewählt zu werden. Ridley Scott hatte den Titel „Unter den Linden“ für den Film „Königreich der Himmel“ verwendet, dann aber die Szene mit unserem Lied herausgeschnitten. Jetzt sind wir nur im Making-Of zu hören.“
Nord bei Nordost: „Noch mal zurück zum Thema Schwan: Es gibt in der Mythologie, Kunst und Literatur viele Beispiele für die Verwendung dieses Tieres. Bekanntestes Beispiel ist wohl Tschaikowskis „Schwanensee“. Wäre das mal eine Adaption wert?“
Michael: „Natürlich. Das wäre eine Möglichkeit. Die Geschichte geht ja auch in das Reich der Märchen und Sagen zurück und das würde mich schon reizen. Aber so etwas müsste man ganz groß anlegen und dafür fehlt momentan die Zeit.“
Nord bei Nordost: „Der Schwanengesang steht ja für das letzte Werk eines Künstlers vor seinem Tod…“
Michael (lacht): „Nee, nee – daran haben wir bei unserem Album nicht gedacht. Aber du hast Recht, das geht auf den Mythos zurück, dass der Schwan vor seinem Tod singt. Was uns angeht, muss sich da aber niemand Sorgen machen!“
Nord bei Nordost: „Vielen Dank für das Interview.“
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